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Der Prokon-Chef und sein Dacia

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Der Prokon-Chef und sein Dacia

Der Chef fährt selbst. Diese Botschaft war Carsten Rodbertus, dem geschäftsführenden Gesellschafter des deutschen Windkraftriesen Prokon offenbar sehr wichtig, als er sich im März mit zwei Reportern der „Welt am Sonntag“ traf. In dem fast dreistündigen Gespräch ging es nicht nur darum, wie er von deutschen Anlegern mehr als eine Milliarde Euro eingesammelt hat, sondern auch um die Firmenphilosophie des Chefs.

Einen Chauffeur brauche er nicht, bemerkte Rodbertus, es wäre „schon etwas sehr merkwürdig, sich mit einem Dacia Duster fahren zu lassen“. Die Automarke habe er bewusst gewählt. „Und das ist natürlich auch eine klare Understatement-Ansage.“ Anders als bei vielen Bankern und Spitzenmanagern gehe es ihm nicht darum, „ eine Scheinwelt zu präsentieren“.

Solche Aussagen machen Carsten Rodbertus sympathisch. So kann er punkten, wenn er bis zu 70 Mal im Jahr im Erdgeschoss irgendeines Hotels vor mehreren hundert Zuhörern auftritt, um für seine Firmenanleihen – sogenannte Genussrechte – zu werben. Mehr als 60 000 Menschen hat er nach eigenen Angaben schon überzeugt.

Doch so nett das Understatement klingen mag, es lässt eine wichtige Frage offen. Kann sich Carsten Rodbertus das Autofahren wirklich leisten?

Wichtige Banker und Spitzenmanager greifen nicht nur aus repräsentativen Gründen auf den Chauffeur zurück. Sie machen das auch, weil ihre wichtigste und knappste Ressource die eigene Zeit ist. Zeit, die sie dringend brauchen. Zum Lesen, zum Telefonieren, zum abarbeiten hunderter Emails.

Wer eine Milliarde Euro und mehr als 1100 Mitarbeiter verwalten muss, hätte vielleicht andere, bessere Aufgaben zu erledigen, als von Itzehoe aus durch die Republik zu gondeln. Unseren Recherchen für die „Welt am Sonntag“ zeigen: Es gibt Schadensersatzklagen und Millionenforderungen gegen Prokon. In allen drei Geschäftsbereichen – der Windkraft, dem Biodiesel und der Biomasse – gibt es große Baustellen, um die sich Rodbertus dringend kümmern müsste. Und die Staatsanwaltschaft Lübeck ermittelt gegen ihn wegen des Verdachts des Betrugs.

Vielleicht wäre ein bisschen weniger Understatement, ja sogar die Einstellung eines Chauffeurs, im Sinne der Anleger.

Streng vertraulich! Das WELT Investigativ Blog


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