Prokon löst Skandal in rumänischer Politik aus
Anfrang des Jahres haben wir über die Insolvenz des Itzehoer Windkraftkonzerns Prokon berichtet. Im Fokus stand dabei der umtriebige Firmengründer und selbsternannte Ökovisionär Carsten Rodbertus. Im Januar enthüllten wir in einer Geschichte seine dubiosen Geschäfte mit rumänischen Wäldern. Die gemeinsame Recherche mit Journalisten des Nonprofit-Projekts RISE hat vergangene Woche in Rumänien einen politischen Skandal ausgelöst, der bis in höchste Regierungsämter reicht.
Am Mittwoch durchsuchten Fahnder der nationalen rumänischen Anti-Korruptionsbehörde (DNA) mehr als 20 Büros und Gebäude in Brasov, Bacau, Covasna und Bukarest. Sie ermitteln gegen Adam Craciunescu, den Chef der staatlichen Forstaufsicht Romsilva, sowie zwei prominente Mitglieder des rumänischen Parlaments. Darunter ist auch der Schwiegervater des aktuellen Premierministers Victor-Viorel Ponta von den Sozialdemokraten. Die Vorwürfe der DNA: Korruption, Bestechung und dreckige Deals mit rumänischen Wäldern.
Uns war es im Januar gelungen, einen dieser merkwürdigen Deals zu dokumentieren, nachdem wir auf einen Vorverkaufsvertrag gestoßen waren. Carsten Rodbertus und zwei Partnerfirmen der Prokon-Gruppe wollten 2013 rund 43.000 Hektar Wald für 140 Millionen Euro von zwei Rumänen kaufen. Da Prokon zuvor schon 75 Millionen Euro in rumänische Wälder investiert hatte, hätte sich der Itzehoer Windkraftanbieter zum größten privaten Waldbesitzer in dem osteuropäischen Land aufgeschwungen.
„Unser Ziel ist es natürlich nicht, diese Wälder jetzt zu roden und daraus einen kurzfristigen Gewinn zu ziehen, sondern vielmehr, hier eine nachhaltige Forstwirtschaft zu betreiben“, verkündete Rodbertus damals. Die Wahrheit in Rumänien ist eine andere: Die Forstwirtschaft ist leidgeplagt. Illegales Abholzen, Schmuggel und Betrug, diesen Plagen werden Behörden seit Jahrzehnten kaum Herr.
Das RISE-Projekt hatte zeitgleich mit der “Welt am Sonntag” den Vorverkaufsvertrag veröffentlicht. Der 140-Millionen-Euro-Deal platzte und der Insolvenzverwalter von Prokon versucht heute, die 75 Millionen Euro Anlegergelder zurückzubekommen, die Carsten Rodbertus in die Wälder investiert hatte.
Unterdessen recherchierten die Kollegen vom RISE-Projekt weiter. Ihre Veröffentlichungen dürften für die Anti-Korruptions-Einheit ein wichtiger Anlass gewesen sein, sich mit der staatlichen Forstbehörde Romsilva zu befassen. Andrei Ciurcanu und Paul Radu vom RISE-Projekt, erklären im Interview die Zusammenhänge:
Worum geht es bei der Affäre?
Im Prinzip geht es darum, dass Wälder in den späten 40er Jahren von den Kommunisten enteignet wurden – zum Beispiel wenn sie Adligen gehört haben. Die Betroffenen können nun diese Wälder zurückerhalten, wenn die erbrechtliche Voraussetzungen stimmen. Bei diesen Rückgaben soll im großen Stil betrogen worden sein. Die Leute, die Prokon die 43.000 Hektar Wald 2013 angeboten haben, sollen gar nicht rechtmäßige Eigentümer des Waldes gewesen sein. Gegen sie wird jetzt ermittelt.
Wie genau lief das ab?
Hochrangige Beamte und Politiker sollen die Wälder an Menschen übertragen haben, die keinen Anspruch darauf gehabt hätten. Auch die beiden Rumänen, die den Vorverkaufsvertrag mit Prokon über 43.000 Hektar Wald unterschrieben haben, gehören dazu.
Was ist dann in der vergangenen Woche passiert?
Die nationale Anti-Korruptionsbehörde hat viele Büros durchsucht. Wie jetzt bekannt wird, ermittelt sie seit Monaten gegen hochrangige Politiker und Beamte. Die Ermittler haben dabei auch Telefone abgehört und persönliche Treffen der Verdächtigen mit Richtmikrofonen belauscht. Sie haben auch die Aufhebung der Immunität mehrerer Abgeordneter beantragt.
Wer sind die wichtigsten Verdächtigen?
Drei Namen sind besonders hervorzuheben. Adam Craciunescu, der Direktor der nationalen Forstbehörde Romsilva, sowie die zwei gut vernetzten Parlamentsabgeordneten der sozialdemokratischen Partei PSD Viorel Hrebenciuc und Ilie Sarbu. Letztgenannter war früher Landwirtschaftsminister.
Welche Dimension hat der Skandal?
Der Ex-Minister Ilie Sarbu ist der Vater von Daciana Octavia Sarbu, die für die PSD im Europaparlament sitzt und die mit dem aktuellen Premierministers Victor-Viorel Ponta (PSD) verheiratet ist. Der Skandal versetzt deshalb das ganze Land in Aufregung. Es passiert gerade unglaublich viel, vor wenigen Stunden ist Viorel Hrebenciuc zurückgetreten.
Welche Rolle haben die Presseberichte gespielt?
Genau lässt sich das nicht sagen, aber unseren gemeinsamen Recherchen Anfang des Jahres dürften den Anti-Korruptionsermittlern geholfen haben. Möglicherweise haben sie sogar die Ermittlungen ausgelöst.
Ist die nationale Anti-Korruptionsbehörde DNA wirklich unabhängig?
Ja, wir haben diesen Eindruck. Sie ist in letzter Zeit gegen Korruptionsverdächtige aller unterschiedlichen politischer Lager vorgegangen.
Kann dieser Skandal denn weitere politische Folgen haben?
Premierminister Ponta will bei der Wahl im Dezember als Präsidentschaftskandidat antreten. Natürlich wirft es kein gutes Licht auf ihn, wenn sein Schwiegervater und Parteigenosse in einen großen aktuellen Korruptionsskandal verstrickt ist.