Wohin ist das Holz von Prokon verschwunden?
Ein dubioses Geschäft mit rumänischem Holz bringt Prokons frühere Führung um Ex-Chef Carsten Rodbertus erneut in Not. Recherchen von “Welt” und ZDF werfen die Frage auf, ob Anleger betrogen wurden.
Von Lars-Marten Nagel und Marc Neller
Das Hotel “Steigenberger” in Hamburg, ein Konferenzsaal, Freitag vergangener Woche. Es ist der Tag, an dem Prokon wieder eine Zukunft haben soll. Und Dietmar Penzlin, Insolvenzverwalter, ist derjenige, der sie aufzeigen will. Er ist der Neue an der Spitze des Windkonzerns, ein Mann der leisen Töne, sachlich. Das Gegenteil seines Vorgängers, das Gegenteil von Carsten Rodbertus.
Drei Monate ist es her, dass Prokon den Insolvenzantrag gestellt hat. Seither hat Penzlin mit einem großen Team aus Anwälten, Wirtschaftsprüfern, Steuerfachleuten, insgesamt 25 Mann, recherchiert, sich ein Bild gemacht: Davon, wie es um Prokon wirklich steht. Penzlin sagt, die Anleger hätten gute Chancen, einen Teil ihres Geldes wiederzusehen. Das klingt gut.
Eine Dreiviertelstunde gibt er bereitwillig Auskunft, beantwortet Fragen. Dann aber wird er etwas schmallippig. Es geht jetzt um Wälder in Rumänien, in die Rodbertus 75 Millionen Euro Anlegergelder gesteckt hat. Ein dubioses Geschäft, das die “Welt am Sonntag” im Januar aufgedeckt hatte.
Penzlin sagt: “Die Höhe der Rückflüsse wird das weitere Verfahren zeigen.” Zu weiteren Erkenntnissen des Abschlussprüfers könne er nichts sagen. Penzlins Vorsicht hat einen Grund. Recherchen der “Welt” und des ZDF-Magazins “Frontal 21″ zufolge besteht der Verdacht auf Anlagebetrug.
Die Geschichte dreht sich um den Verkauf von rumänischem Holz nach China, der über eine deutsche Zwischenfirma ablief. Im Zentrum dieser Geschichte steht ein Mann, der für Rodbertus eine Art Statthalter in Rumänien gegeben hat. Dieser Mann ist rumänischen Ermittlern zufolge in Geschäfte mit der chinesischen Mafia verstrickt. Er soll dabei Dokumente gefälscht haben.
Prokon wollte größter privater Waldbesitzer werden
Der Reihe nach. Der Ex-Prokon-Chef hatte mit der Hit Holzindustrie, einer Partnerfirma bei Leipzig, eine gemeinsame rumänische Firma gegründet. Die Prokon Hit Timber sollte rumänischen Wald verwalten und Holz verkaufen, etwa ab dem Jahr 2010. Diese Firma hatte bis zur Prokon-Insolvenz im Januar dieses Jahres mindestens 75 Millionen Euro in rumänische Wälder investiert.
Das Geld dafür kam von den Prokon-Anlegern aus Itzehoe, Gesellschafter waren jedoch die Sachsen. Obwohl Prokon nur der Darlehensgeber war, priesen Rodbertus und seine Mitarbeiter in Werbeveranstaltungen und Broschüren das Investment als großartige Sache. Man werde der “größte ausländische private Waldbesitzer” und werde Zugang zum wertvollen Rohstoff Holz haben.
“Die ersten Züge sind bereits in Torgau eingetroffen”, schrieb Prokon noch im August vergangenen Jahres auf seiner Homepage. Das Holz wäre demnach bei Prokons Partnerfirma gelandet. Doch Insider und Dokumente, die “Frontal 21″ vorliegen, sprechen eine andere Sprache. Es sieht vielmehr so aus, als sei das Holz nach China verkauft worden. Und zwar unter Umständen, die sehr fragwürdig sind.
Die Hit Timber, bei der Rodbertus Geschäftsführer war, verkaufte ihr Holz aus Rumänien zwar nach Deutschland, aber nicht direkt an die Firma Hit in Torgau. Sondern an ein Unternehmen namens Holzhandel Lauenförde. Das zeigen Ladelisten, die “Frontal 21″ und der “Welt” vorliegen.
Das Unternehmen fungiert als Zwischenhändler zwischen der Prokon-Tochter in Rumänien und den chinesischen Käufern. Die Firma selbst sagt dazu: “Wir haben viele Kunden in Deutschland und auch in Asien. Unter anderem beliefern wir langjährige Kunden in China.”
Ein Mitarbeiter und die Chinesen-Mafia
Und wen auch immer die ZDF-Reporter in Rumänien nach den entscheidenden Personen des Geschäfts fragten, immer fiel der Name eines Mannes: Kurt Otrin. Otrin selbst will keine Fragen beantworten. Er verweist an Dietmar Penzlin, den Insolvenzverwalter. Offenbar ist er also gut informiert. Vor allem aber bestätigt Holzhandel Lauenförde, die Zwischenfirma, dass Otrin “als Einsatzleiter bei der SC Prokon Hit Timber SRL tätig” sei. Bei der von Rodbertus kontrollierten rumänischen Tochterfirma also.
Außerdem ist Otrin den rumänischen Behörden bestens bekannt. Die Staatsanwaltschaft Constanta hatte ihn vor zwei Jahren im Visier. Im Jahr 2011 hatte sie bei einer Razzia gegen die Chinesen-Mafia und den Holzschmuggel im Hafen Constanta eine Reihe von Männern hochgenommen. Otrin soll auf Zolldokumenten falsche Angaben gemacht haben. Er soll dort weniger Holz angegeben haben, als tatsächlich ausgeliefert wurde.
Die Ermittler verdächtigten ihn, die Holzstämme illegal verwertet zu haben. Die Polizei ermittelte, die Staatsanwaltschaft entschied, es handele sich um eine Ordnungswidrigkeit. Ob und wie die Sache entschieden ist, war nicht zu recherchieren.
Vier Chinesen jedenfalls wurden von einem Bukarester Gericht des Landes verwiesen. Die Begründung hat es in sich: Die Gruppe könne der organisierten Kriminalität zugerechnet werden. Sie hätten über 1000 Firmen gegründet – mit dem Ziel, den rumänischen Staat zu schädigen und Güter außer Landes zu schaffen, die aus illegalen Geschäften stammten. In diesem Stil geht es weiter: illegale Geldtransfers, Geldwäsche, Gewalt, Beamtenbestechung und, und, und.
Keine unlauteren Geschäfte, sagen die Holzhändler
Vasile Iftimescu, Prokons ehemaliger Förster im Rumänien, sagt, auch bei Prokon Hit Timber habe es Mauscheleien bei den Mengenangaben gegeben. Iftimescu ist nicht ganz unbescholten, er hat derzeit ein Verfahren wegen angeblichen Betrugs am Hals. Allerdings gibt es andere Insider mit Einblick in diese Geschäfte, die seine Version bestätigen.
Sowohl die Firma Hit Timber, Prokons rumänische Tochter, als auch das Unternehmen Holzhandel Lauenförde, der Zwischenhändler, sagen, es sei alles ganz legal gewesen. So antwortet einer der Torgauer Geschäftsführer, der zudem auch mit Rodbertus bei der rumänischen Tochter die Geschäfte führt, auf Fragen: Prokon Hit Timber sei kürzlich “einer mehrwöchigen Überprüfung durch die rumänischen Finanzbehörden unterworfen und alle Verträge seit Bestehen unserer Firma geprüft” worden.
“Die Prüfung ist ohne Beanstandung beendet worden.” Der Zwischenhändler in Lauenförde beteuert: “Unser Unternehmen hat zu keiner Zeit zu Unrecht gehandelt oder unlautere Geschäfte unternommen.”
Das von Rodbertus gelobte nachhaltige Investment war der Waldkauf in Rumänien schon mal nicht. Das sollte auch der Insolvenzverwalter inzwischen wissen. Wenn Prokons Holz tatsächlich in China gelandet wäre, wäre alleine das schon merkwürdig. Aber das ist noch nicht alles. Prokon hat den Partnerfirmen Hit Holzindustrie und Prokon Hit Timber insgesamt fast 300 Millionen Euro der Anleger gegeben, als Darlehen. Auf den Web-Seiten bilanzierte Prokon aber stets so, als gehörten die Firmen zur Prokon-Gruppe. Ein Etikettenschwindel. Anwälte sagen, das allein sei schon Anlagebetrug.
Und es klingt nicht so, als ob Penzlin den Unschuldsbeteuerungen der Beteiligten so einfach glauben will. Er habe am Freitag eine spezialisierte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft beauftragt, “das Engagement von Hit Timber dezidiert zu untersuchen”. Die Prüfung werde mehrere Monate dauern. Und die 75 Millionen? Dazu könne er vorerst nichts sagen, sagt Penzlin.
“Frontal 21″ wird an diesem Dienstag berichten: “Verschwundene Millionen – Prokon und das Geld Anleger” (ZDF, ab 21 Uhr)